Montag, 13. September 2021

Nur 'raus hier!


 "La mort de Marat avec la baignoire authentique"

Die Schauspielerin Olga Heydecker-Langer beschreibt in ihrer 1927 bei Georg Müller in München  erschienenen Autobiografie "Lebensreise im Komödiantenwagen" einen Besuch in einem ungenannten Pariser Panoptikum um die Jahrhundertwende einmal mehr als geradezu traumatisches Erlebnis. Es wird sich um Museum Grévin gehandelt haben, das sich schon bald nach seiner Eröffnung im Jahr 1882 zu einer Attraktion für Einheimische und Besucher der Stadt gleichermaßen entwickelte.

"Nur zögernd ging in ran an diese Pracht. Wachsfiguren waren mir immer schauderhaft. Das müsse ich aber gesehen haben; denn das sei lehrreich - und alles historisch. (...)
Jawohl, da stand die verbürgte Badewanne, in der Marat ermordet wurde, und daneben - in Wachs -  Charlotte Corday, mit flammender Miene.
Da war das ganze Opernballett mit wächsernen Beinen.
Da stand Marie Antoinette mit dem Dauphin und biß sich auf die wachsbleichen Lippen, weil ihr die abgeschlagenen Köpfe ihrer Standesgenossen serviert wurden. Die Kette, die sie um den Nacken trug, soll das berühmte Halsband gewesen sein. Mir wurde schon langsam übel, (...). Immer tiefer stiegen wir hinunter; denn dort gingen die Treppen nicht hinauf, sondern hinab. Überall - überall Wachsfiguren! Kaiser, Könige, Hochstapler, Kurtisanen, Einbrecher, Lustmörder - ja - das war der Clou, den ich nicht versäumen durfte - die Laufbahn eines Lustmörders, von der Wiege bis zum - Schafott!
Mein Lebtag habe ich noch nicht so viel Laster auf einem Fleck beisammen gesehen."
Als sie schließlich "das Fallbeil blinken" sah, "da wurde es mir zu bunt und ich lief -- lief -- 
Vorbei an Iwan dem Schrecklichen, vorbei an Kleopatra mit der Natter am Busen, vorbei an dem Weib, das gerade ihr Kind ertränkt - - Licht -- Luft -- Sonnenschein!" (S. 202f)

Abbildungen aus einem Souvenirbändchen des Musée Grevin, um 1890
(Sammlung Nagel)